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Imagination - Reisen ins Innere

Einführung

Die Imagination wurde bereits um die Jahrhundertwende zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Dabei werden einem oder mehreren Klienten Instruktionen gegeben, die in seiner Vorstellung sensorische, motorische und affektive Eindrücke erschaffen. Diese Methode eignet sich daher besonders zur sanften Behandlung von Phobien, da die mentalen Eindrücke eine nahezu identische Wirkung auf den Patienten haben wie reale Erfahrungen. Dem Therapeuten bietet sich so die Möglichkeit, positive Verhaltensweise zu programmieren und Phobien sukzessive zu reduzieren.
Im Bereich der Entspannung und Lebenshilfe bietet die Imagination zahllose Möglichkeiten der Fantasiereisen. Neben der Möglichkeit, soziale Kompetenz zu schulen, das Selbstbewusstsein zu steigern und Werte zu vermitteln, was diese Technik besonders in der Jugendarbeit so wertvoll macht, bietet die Imagination auch Mittel zur Selbsterfahrung und natürlich ganz elementar zur reinen Entspannung und Erholung.

Rahmenbedingungen

Für Imaginationstechniken und Fantasiereisen gelten dieselben Rahmenbedingungen wie bei der Progressiven Muskelentspannung beschrieben. Oft bevorzugen es die Teilnehmer im Liegen zu praktizieren, was aber auf Grund der Gefahr des Einschlafens nur bei ausgeruhten Personen und auch da nicht immer gemacht werden sollte. Im Rahmen eines Entspannungskurses oder der therapeutischen Arbeit sollte auch immer eine Nachbesprechung des Erlebten, der gemachten Erfahrungen, Assoziationen und der Gedanken der Teilnehmer gemacht werden. Im Folgenden beziehe ich mich nur auf Imagination zur Entspannung. Bei der therapeutischen Arbeit sind darüber hinaus noch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich aus der individuellen Situation des Patienten ergeben und hier zu weit führen würden.

Induktions- und Rückholphase
Eine Fantasiereise beginnt immer mit einer Induktion um die nötige Entspannung und Konzentration für eine angenehme Reise zu erzeugen. Genau wie bei allen anderen Entspannungsmethoden muss auch nach einer Exkursion in die Welt der Fantasie eine Rückkehr ins Hier und Jetzt erfolgen. Sie können eine Fantasiereise entweder mit der progressiven Muskelentspannung oder dem autogenen Training einleiten, falls Ihnen bzw. den Teilnehmern diese Techniken vertraut sind. Ansonsten bietet es sich an, eine “Vorgeschichte” zu erzählen, die den Übenden dazu anleitet, seine Augen zu schließen, die Atmung zu vertiefen, seine Glieder zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
Nach der Fantasiereise bietet sich das Zurücknehmen auf gleiche oder ähnliche Weise wie beim autogenen Training und der Muskelentspannung beschrieben an. Wichtig sind immer die Elemente des Zurückkehrens, der mentalen Frische und der körperlichen Spannung.

Fantasiereisen selbst entwerfen

Fantasiereisen und Imaginationen können die vielfältigsten Formen annehmen und für jeden Anlass individuell erstellt werden. Dabei sind Sie in der Gestaltung weitestgehend völlig frei, es ist aber hilfreich folgende Grundregeln zu beachten:
1. Beachten Sie die Notwendigkeit der Induktion und Rückholphase. Diese muss nicht für jede Fantasiereise extra erstellt werden. Legen Sie sich ein Repertoire an, aus dem Sie die passenden Elemente kombinieren können oder verwenden Sie einfach die bei der Muskelentspannung beschriebene Variante.
2. Die Reise sollte nicht zu lang sein. 5 – 15 Minuten bei Kindern und Jugendlichen, maximal 30 Minuten bei Erwachsen. Es ist immer besser kürzere, aber intensive Reisen zu unternehmen, als zu riskieren dass die Teilnehmer einschlafen.
3. Vermeiden Sie komplizierte Satzstrukturen, doppeldeutige Formulierungen und Metaphern. Der Aufbau des Textes sollte logisch nachvollziehbar sein.
4. Achten Sie auf ausreichend lange Pausen, damit den Teilnehmern Zeit bleibt, den Zielort zu erkunden. Bauen Sie auch Freiräume für die persönliche Gestaltung der Reise ein.
5. Wenn Sie eine Reise zur Selbsterfahrung erstellen, kann es sinnvoll sein, den Teilnehmern ein “magisches” Werkzeug an die Hand zu geben, das ihnen hilft, heikle Situationen zu überstehen. Z.B. ein Zauberstab, der sich in jeden Schlüssel, jede Waffe und jeden benötigten Gegenstand verwandeln kann. Fügen Sie z.B. nach der Induktion den Absatz ein: “Du kannst Deine Reise beruhigt und mutig antreten, denn Du hast einen magischen Ring bei Dir. Wenn eine Gefahr auftaucht, so schützt der Ring Dich vor ihr. Du kannst ihn in jede Waffe verwandeln, in einen Schlüssel der jede Tür öffnet oder jeden anderen Gegenstand, den Du benötigst…”
Eine andere Möglichkeit ist, die erste Reise so zu gestalten, dass jeder Teilnehmer doch zu seiner Seelenführerin geführt wird, die in späteren Reisen jederzeit zu Hilfe geholt werden kann.
6. Wenn Sie Erfahrung mit Hypnose haben, bietet es sich an, hypnotische Formeln in die Entspannung zu integrieren. Ansonsten genügt es auch, möglichst bildhaft und konkret zu formulieren.

Beispiel: Der Waldspaziergang

Diese Fantasiereise dürfen Sie gerne jetzt gleich selbst ausprobieren! Viel Freude damit!

Lege Dich bequem hin, lass Deine Füße leicht auseinanderfallen. Die Arme und Hände liegen locker neben deinem Körper. Schließe Deine Augen. Atme nun tief ein. So tief, dass sich nicht nur Dein Brustkorb sondern der ganze Bauch mit hebt. Halte die Luft einen Augenblick fest und lasse Sie dann sanft wieder ausströmen. Und mit dem ausströmenden Atem fließt auch alles, was Dich belastet aus Dir heraus. Nimm nun noch einen tiefen Atemzug, der Deine Lungen vollständig füllt, halte ihn einen Augenblick fest und lasse ihn dann zusammen mit allem Druck, allem Stress und allem Ballast wieder hinausströmen.
In Deiner Vorstellung kann Dein Atem aber noch mehr. Er kann durch Deine Nase zu Deiner linken Hand fließen und durch die Hand hinaus. Du kannst auch durch die Handfläche der linken Hand einatmen und durch den Handrücken der rechten Hand ausatmen. Dein Atem kann durch Deinen linken Fuß einströmen und durch den Bauch wieder hinaus, er kann vom rechten Knie zur linken Schulter fließen und durch die rechte Schulter zum rechten Fuß hinausatmen. Du kannst auch durch den Abstand zwischen den Beinen atmen, der Atem fließt aber auch von ganz allein durch Deine Brust in den Nacken und kann durch den Hals ausgeatmet werden. Auch kann der Atem ganz leicht durch die Spitze des Kopfes als Luftsäule eintreten und zu den Genitalien wieder austreten. Oder er strömt durch die beiden Nasenlöcher ein und teilt sich dann in zwei Luftsäulen auf, die jeweils in die linke und die rechte Gehirnhälfte fließen. Vielleicht spürst Du auch wie der Atem direkt in Deinen Gehirn eingeatmet wird und wie eine pulsierende Säule nach oben steigt. Genauso kann diese Luftsäule sich frei in Deinem Kopf in alle Richtungen bewegen und ihn erfrischen.
Lass nun Deinen Atem in alle Körperregionen gleichzeitig strömen und werde Dir der Wärme, die sich nun ausbreitet bewusst.
Beobachte einen Augenblick lang Deinen Körper, wie er tief entspannt sicher und fest auf dem Boden liegt. Begib Dich nun in das Haus Deiner Gedanken. Es ist ein schönes und sicheres Haus, sieh Dich einen Moment in Ruhe um. Schließlich entdeckst Du eine schöne, weite Treppe, die tief hinab führt. Das Treppenhaus ist hell erleuchtet, die Stufen sind einladend und breit. Schritt für Schritt gehst Du die Treppe hinunter, immer tiefer und tiefer. Während Du gehst, umgibt Dich ein helles, goldenes Licht, das sich schützend um Dich legt. Du gehst immer tiefer und tiefer hinunter. Schließlich siehst Du, dass noch zehn Stufen vor Dir liegen, bevor Du das Ende der Treppe erreicht hast. Langsam zählst Du die letzten Stufen mit: eins, Du gehst tiefer zur nächsten Stufe, zwei, es geht noch tiefer hinunter, drei, vier, fünf, Du bist jetzt fast so tief unten wie es nur geht, sechs, sieben, acht, neun, zehn, Du bist nun ganz tief unter dem Haus Deiner Gedanken. Ein kurzer, sanft beleuchteter Flur führt zu einer Tür. Du gehst langsam auf diese Tür zu und betrachtest Sie. Es ist eine schöne, große Tür, die sehr einladend aussieht. Du legst die Hand auf den Türknauf und öffnest sie. Hinter der Tür eröffnet sich Dir der Blick auf einen herrlich wildwachsenden Wald. Du stehst auf einer kleinen Lichtung im hellen Sonnenschein. Der Himmel über Dir ist tiefblau und friedlich, das Gras unter Dir ist frisch und grün. Vor Dir erstreckt sich ein schmaler Pfad, der tiefer in den Wald führt. Entschlossen und mit dem guten Gefühl, etwas Schönes zu erleben betrittst Du den Pfad und folgst ihm. Im Wald ist es angenehm kühl, das Sonnenlicht fällt in fantasievollen Mustern auf Dich und erhellt Deine Umgebung genug, dass Du alles um Dich herum gut erkennen kannst. Sieh Dich in Ruhe um, während Du tiefer in den Wald wanderst. Deine Beine fühlen sich leicht und kräftig an, der Spaziergang spendet Dir neue Kraft und erfrischt Dich wohltuend. Ein Eichhörnchen hüpft über Dir durch die Äste, Du hörst in der Ferne einen Specht zimmern und ein Käuzchen rufen. Es duftet nach frischem Kiefernholz und Lavendel. Während Du gehst nimmst Du alle Eindrücke des Waldes in Dich auf, bis Du schließlich an einen besonderen Ort kommst. Im ersten Moment scheint nichts Ungewöhnliches an ihm zu sein, doch Du spürst gleich die magische Aura, die ihn umgibt. Und nun entdeckst Du auch Hinweise darauf, dass hier ein Zugang zu anderen Welten sein muss. Ist es ein Feenring aus Rotkappen, ein besonders schöner Felsen oder ein uralter Baum? Was immer es ist, dass Dir den Hinweis gegeben hat, Du näherst Dich diesem Ort der Magie und hältst lauschend inne. Eine innere Stimme lädt Dich zum Verweilen ein, Du setzt Dich in das duftende Gras und schließt die Augen für einen kurzen Moment. Als Du sie wieder öffnest, wird Dir klar, dass Du hier jemandem begegnen kannst, der Dir über alle Zeiten und Distanzen hinweg beistehen kann. Du spürst die Anwesenheit eines Wesens, dass Dir seit Alters her vertraut ist, es hat hier auf Dich gewartet und will sich Dir nun zeigen.
Suchend blickst Du Dich um und kannst schließlich erkennen wie eine lichtvolle Gestalt zwischen den Bäumen hervortritt und auf Dich zu kommt. Sie begrüßt Dich freundlich mit Deinem Namen. “Ich freue mich, dass wir uns endlich einmal wiedersehen.” Sagt sie sanft. Du hast nun Gelegenheit, das Wesen genauer zu betrachten. Die Gestalt ist von übermenschlicher Schönheit und sie strahlt eine tiefe Weisheit und Liebe aus, Du fühlst Dich in ihrer Nähe sicher und geborgen. Wenn es etwas gibt, das Dich in Deinem Leben zurückhält oder Dir Sorgen bereitet, so kannst es jetzt mit ihr teilen. Du kannst ihr alles anvertrauen, denn ihr seid eins. Liebevoll widmet sie Dir ihre volle Aufmerksamkeit und lässt Dir alles an Weisheit zu Teil werden, was sie in diesem Augenblick für Dich hat. So sitzt ihr einen Moment lang beisammen, nimm Dir Zeit, alles mit ihr zu teilen, was Dich bekümmert, und lausche ihren Einsichten. – Kurze Pause –
Nach einer Weile vernimmst Du wieder die innere Stimme, die Dich hierher geführt hat. Es wird Zeit, zurückzukehren, lässt sie Dich wissen. Langsam stehst Du auf und verabschiedest Dich dankbar von Deiner Begegnung. Sie versichert Dir, dass Du sie hier finden und mit ihr reden kannst, wann immer Du das möchtest und dass sie zu jeder Zeit an jedem Ort an Deiner Seite ist. Das gute Gefühl, beschützt und geliebt zu sein, umgibt Dich wie ein warmer Mantel. Du betrittst wieder den Pfad, doch diesmal verlässt Du den Wald in der Richtung, wo die Tür zum Haus Deiner Gedanken liegt. Es dauert nicht lange bis Du sie schließlich erreicht hast. Du öffnest die Tür und kehrst zurück zur Treppe, die Dich nach oben führt. Langsam steigst Du Schritt für Schritt immer höher auf der breiten Treppe. Du spürst Dich ins Hier und Jetzt zurückkehren, denn mit jedem Schritt näherst Du Dich der Oberfläche Deines Geistes.
Schritt für Schritt steigst Du höher und höher, bis Du siehst dass Dich nur noch zehn Stufen von der Oberfläche trennen. Du zählst leise mit: eins, Du atmest tief ein und wieder aus, zwei, drei, Du wirst wacher und wacher, vier, fünf, sechs, Du bist nun wieder ganz nah an der Oberfläche, sieben, eine Frische und Munterkeit wie nach einem erholsamen Mittagsschlaf breitet sich in die aus, acht, neun, Du bist wieder in Deinem Körper angekommen und dort auf der letzten Stufe beginnst Du bereits Deine Finger und Zehen zu bewegen, zehn. Du bist nun wieder zurück von Deiner Reise ganz im Hier und Jetzt angekommen. Bewege Deine Arme und Beine, nun balle die Hände zu Fäusten und strecke Dich ausgiebig. Schüttle Dich ein wenig und öffne langsam die Augen. Du bist jetzt frisch und munter und erholt.

Bitte beachten: Diese Meditation darf in dem Sinne frei verwendet werden, dass sie jederzeit und überall zur Entspannung vorgetragen werden darf. Ein Hinweis auf die Autorin und diese Seite wäre fair. Der Nachdruck oder die Verwendung in anderen Medien (Webseiten, Bücher, usw.) ist nur mit Genehmigung gestattet.

Hier geht’s zur nächsten Meditation: Bergwanderung zu den vier Elementen

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